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Die
Veröffentlichung dieses Artikels wurde durch
die
Großzügigkeit der Stiftung de Brzezie Lanckoronski ermöglicht.
Am
1. September 1939 brach der 2.Weltkrieg aus. Die Deutschen
griffen Polen an. Wenig später, am 17. September, marschierten
auch die sowjetischen Truppen in das Gebiet der II. Republik
ein.
Am
5. Oktober fanden die Kämpfe ein Ende. Der gesamte westliche und
zentrale Teil Polens befand sich unter deutscher Okkupation; die
östlichen Gebiete unter der russischen.
Seit
Beginn der Okkupation begannen die deutschen Machthaber, Polen
und Juden zu verfolgen. In der ersten Etappe wurde beschlossen,
die jüdische Bevölkerung vom Rest der Gesellschaft zu isolieren.
In
allen größeren polnischen Städten wurden Ghettos geschaffen.
In
Warschau wurden einige Stadtteile entvölkert, mit Mauern
umgeben, und im Anschluß daran wurden dorthin fast 500.000 Juden
verbracht.
Die
tragischen hygienischen Bedingungen, die fehlende ärztliche
Betreuung und der Hunger verursachten eine hohe Sterblichkeit
unter Bewohnern des Ghettos.
Im
Jahre 1942 begann die SS das Programm „Umsiedlung der jüdischen
Bevölkerung aus dem Warschauer Ghetto in die Arbeitslager im
Osten" umzusetzen, also de facto Transporte in die
Vernichtungslager. Infolge dieser Aktionen verblieben zu Ende
des Jahres 1942 im Ghetto kaum 70.000 Menschen.
Im
April 1943 beschlossen die Anführer der Jüdischen
Kampforganisation (ZOB), die im Gebiet des Ghettos tätig war,
während des Versuches der endgültigen Liquidierung des
Warschauer Ghettos durch die Deutschen, den offenen Kampf mit
den Deutschen aufzunehmen. Der Aufstand begann.
Frage:
Hatte der Aufstand im Ghetto irgendwelche Chancen?
Antwort:
Im militärischen Sinne - keine. Es war ein heldenhafter Ausbruch
des Widerstandes, der in den Selbstmord führte. Situationen
dieser Art gab es häufig in dem von den Deutschen besetzten
Polen. Im Angesicht des Todes entschieden sich die Menschen des
Untergrundes mit der Waffe in der Hand, im Kampf zu sterben.
Marek Edelman, einer der Anführer der Kämpfe im Ghetto sagte:
"Der Aufstand im Ghetto hatte keinerlei Chancen, er mußte
fehlschlagen. Es war jedoch ein Ausbruch, der die Welt dazu
zwang, unseren Kampfeswillen anzuerkennen"
(1)
Frage:
Warum kam die Bevölkerung Polens den im Ghetto Kämpfenden nicht
zu Hilfe?
Antwort:
Nationale Aufstände haben nur dann eine Aussicht auf Erfolg,
wenn sich siegreiche Armeen dem militärischen Schauplatz nähern.
(Und auch das nicht immer, wie dieses der Warschauer Aufstand im
Jahre 1944 verdeutlichte). In jeder anderen Situation hätte
irgendeine nationale Erhebung keinerlei Erfolgsaussichten. Sie
wäre sowohl eine tollkühne als auch selbstmörderische Geste.
Frage:
Konnte die Heimatarmee, die zu dieser Zeit aus Tausenden von
Kämpfern bestand, keine wesentliche Unterstützung bieten?
Antwort:
Eine militärische Intervention hatte, wie vorhin schon gesagt,
keine Chancen. Ein zusätzliches Hemmnis stellte auch der Mangel
an Waffen dar. Ende 1942/ Anfang 1943 besaß die Warschauer
Garnison der Heimatarmee praktisch keine Waffen.
Frage:
Welchen Nutzen konnte eine unbewaffnete Widerstandsorganisation
haben?
Antwort:
Die Partisanentruppen der Heimatarmee, die in den östlichen
Randgebieten eingesetzt waren, besaßen eine relativ gute
Ausrüstung, allerdings nur leichte Waffen. Die städtischen
Truppen, wie z. B. in Warschau, bereiteten sich auf den
vorgesehenen allgemeinen Aufstand vor. Für die Übungen an der
Waffe hatten sie oft nur eine Pistole oder ein Gewehr, das von
Hunderten Soldaten genutzt wurde. Eine Ausnahme bildeten hier
einige wenige Einheiten für spezielle Aufgaben, die eigene
Waffen besaßen. Die übrigen Einheiten hatten keine Waffen, da
sie im Falle eines Ausbruchs des Aufstandes mit der Hilfe aus
dem Westen rechneten. Es wurde erwartet, daß die Waffen im Falle
eines offenen Kampfes von den Alliierten über den Luftweg
herbeigeschafft werden.
Frage:
Konnte die Heimatarmee den im Ghetto Kämpfenden auf eine andere
Art helfen?
Antwort:
Ja, indem sie ihnen Waffen lieferten. Eigentlich eine einfache
Sache, nur - woher sollte man die Waffen nehmen? Zitieren wir
hier wieder Marek Edelman:
„Der
Staat im Untergrund und die Heimatarmee standen im Jahre 1942
zunächst vor organisatorischen Aufgaben. Es ist daher nicht
verwunderlich, daß unsere Versuche, unter diesen Bedingungen
Waffen und Munition von der Heimatarmee zu erhalten, auf
Schwierigkeiten stießen" (2)
Frage:
Lieferte die Heimatarmee Waffen ins Ghetto?
Antwort:
Die Hauptkommandantur der Heimatarmee zögerte nicht, Waffen
abzugeben, obwohl sie selbst nur wenig davon besaß. Die Wahrheit
darüber berichtet ein Mensch, der im Ghetto war und aktiv an den
Kämpfen teilnahm. Marek Edelman sagt: "Ende Dezember 1942
erhielten wir unseren ersten Waffentransport von der
Heimatarmee. Es war kein sehr großer, nur 10 Pistolen. Nichts
desto trotz, ermöglichte dieses uns die erste bewaffnete Aktion
(...) (3).
Ende
Januar 1943 erhielten wir fünfzig größere Pistolen und
fünfundfünfzig Granaten von der Hauptkommandantur der
Heimatarmee (...) (4)
Im März
1943 hatte jeder unserer Partisanen eine Pistole und 10 - 15
Patronen,
4 - 5
Granaten und ebenso viele Brandflaschen. Zwei oder drei
Karabiner wurden jeder Stadtteilsektion zugeteilt. Wir hatten
nur ein Maschinengewehr" (5).
Nicht
nur die Jüdische Kampforganisation (ZOB) wurde von der
Heimatarmee unterstützt. Der Jüdische Militärbund (ZZW) erhielt
Unterstützung in Form von Waffen, Munition und Sprengstoff durch
zwei Organisationen, die der Heimatarmee unterstanden, dem
Sicherheitskorps (KB) und der Polnischen Unabhängigkeitsaktion
des Volkes (PLAN). Waffen und Munition wurden auch von der
Volksgarde übergeben.
Frage:
War eine derartige Hilfe von Bedeutung?
Antwort:
Natürlich wären mehr Waffen und Munition notwendig gewesen.
Werden jedoch der prekäre Bewaffnungszustand der Heimatarmee und
die enormen Schwierigkeiten beim Transport und Hinüberwerfen der
Waffen über die Ghettomauer, die von der deutschen Polizei und
ihren litauischen Hilfstruppen bewacht wurde in Betracht
gezogen, so war eine Unterstützung der jüdischen Kämpfer beinahe
unmöglich. Trotz dieser schwierigen Situation erreichte sie die
Aufständischen doch, ermöglichte ihnen den weiteren Kampf und
fügte somit dem Feind erhebliche Verluste zu. Der schon mehrmals
zitierte M. Edelman schreibt:
„Die
deutschen Verluste betrugen mehr als tausend Tote und
Verwundete, und außerdem wurden der deutschen Industrie
erhebliche Verluste infolge von Brandstiftungen an
Produktionsstätten durch die Jüdische Kampforganisation (ZOB)
auf dem Gebiet des Ghettos zugefügt"
(6).
Obwohl
der Aufstand im Ghetto der alleinige Kampf jüdischer
Organisationen war, gab es dennoch eine symbolische
Unterstützung für die Aufständischen.
Die
Heimatarmee und die Volksgarde führten eine Reihe von
bewaffneten Aktionen im Ghetto während des Aufstandes durch.
Nach
seinem Scheitern organisierten sie erfolgreiche Aktionen zur
Rettung der überlebenden jüdischen Kämpfer.
In der
Vergangenheit wurden verschiedene Versionen der Unterstützung
des Ghettos durch die Heimatarmee veröffentlicht.
Die
Darstellung von Marek Edelman führt Fakten an, ist objektiv, und
sie ist als glaubwürdig anzuerkennen.
Fußnoten:
Marek Edelman, The Ghetto Fights, Bookmark, London 1990, S.
28
Ebenda.
Ebenda, S. 69
Ebenda, S. 71
Ebenda, S. 73 -74
Ebenda, S. 94.
Dr.
Andrzej Slawinski, London
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