|
PDF
RTF
Die
Veröffentlichung dieses Artikels wurde durch
die
Großzügigkeit der Stiftung de Brzezie Lanckoronski ermöglicht
Noch bevor die letzten
Schüsse der Kämpfe der Kampagne des Jahres 1939 verstummten,
entstand in Warschau eine konspirative Organisation unter dem
Namen Sluzba Zwyciestwu Polsce (Dienst für den Sieg Polens). Im
November 1939 wurde sie vom Zwiazek Walki Zbrojnej (Bewaffneter
Kampfbund) ersetzt, der im Februar 1942 den Namen Armia Krajowa
(Heimatarmee) erhielt.
Von Anfang an war klar,
daß eine der Hauptaufgaben der Heimatarmee die Organisation
eines funktionsfähigen Geheimdienstes sein wird, sowohl für die
eigenen Bedürfnisse, wie auch für militärische
Einsatzbedürfnisse der Alliierten.
Bereits in den ersten
Wochen der Okkupation wurde zum Teil nach dem Muster der
Vorkriegsstrukturen mit der Erschaffung eines neuen
nachrichtendienstlichen Netzwerkes begonnen. Im Jahre 1942
stellte sich seine Organisationsstruktur folgendermaßen dar:
Die übergeordnete
Einheit war die II. Gruppe der Hauptkommandantur der Heimatarmee
(AK). Sie widerspiegelte in ihrer Gestalt die II. Gruppe des
Stabes NW in London. Sie stellte sozusagen ihre polnische
Nebenstelle dar, war ihr aber nicht unmittelbar untergeordnet.
Ihr unterstanden
folgende Organisationszellen:
 |
das Sekretariat |
 |
die Abteilung Propaganda |
 |
die militärisch-analytische
Abteilung |
 |
die industriell-analytische
Abteilung |
 |
die Abteilung für internes
Nachrichtenwesen |
 |
die Abteilung Finanzen und
Betreuung |
 |
die Abteilung für Legalisierung
und Technik |
 |
die Gegenaufklärung |
 |
Sektion 666, verantwortlich für
die direkte Verbindung mit Spanien über Berlin und Paris. |
Die wichtigste unter
ihnen war jedoch die Abteilung des Auslandsgeheimdienstes mit
dem Decknamen „Stragan" (Marktbude).
Sie war wie folgt gegliedert:
 |
Sektion „Westen", verantwortlich
für die Tätigkeit auf dem Gebiet des „Reiches" |
 |
Sektion „Norden", die sich mit
Pommern und Ostpreußen befaßte |
 |
Sektion „Süden", die alle
Gebiete südlich von Warschau bis nach Wien umfaßte |
 |
Sektion „Osten" für alle Gebiete
östlich von Warschau. |
Diese Unterteilung bestand
bis zum Jahre 1942, als sie teilweise durch die deutsche
Gegenaufklärung zerschlagen wurde.
Nach seiner Rekonstruktion wurde der
Geheimdienst der Heimatarmee in drei selbständige Sektionen
unterteilt.
Die erste Sektion war
für das „Generalgouvernement" („52-kk" später „Arkadiusz")
verantwortlich.
Die Zweite war die Sektion „Osten"
(„WW-72", später „Pralnia" (Wäscherei)).
Die Letzte war die Sektion „Westen"
(„Lombard" (Pfandleihhaus)). Auf diese Weise umfaßte der
Geheimdienst der Heimatarmee in seinem Wirkungsbereich nicht nur
die Gebiete des besetzen Polens sondern auch die des Reiches,
der UdSSR, als auch Länder südlich von Polen, die mit den
Deutschen verbündet waren.
Während der
Besatzungszeit waren die Befehlshaber des Nachrichtendienstes
der Heimatarmee in der Folge:
 |
Major Waclaw Berka „Brodowicz"
(1939 - 1942), |
 |
Oberstleutnant Marian Drobik
„Dzieciol" (Specht) (1942 - 1943), |
 |
Oberst Kazimierz Iranek-Osmecki
„Makary" (1943 - 1944) und |
 |
Oberstleutnant Bohdan Zielinski
„Tytus" (1944 - 1945). |
Schnell zeigte es sich,
daß der Geheimdienst der Heimatarmee zu einer Hauptquelle der
nachrichtendienstlichen Information für die Alliierten wurde.
So verließen sich beispielsweise die
Briten, die in den ersten Kriegsjahren ihr
nachrichtendienstliches Netz in Deutschland nicht aufbauen
konnten bis zum Jahre 1942 hauptsächlich auf Daten über
Deutschland und die Ostfront, die vom Geheimdienst der
Heimatarmee (AK) geliefert wurden.
Er übermittelte unter
anderem Monatsberichte an den Stab NW in London, die
anschließend an die nachrichtendienstliche Sektion des
britischen Geheimdienstes übergeben wurden. Dieser wiederum
leitete sie an militärische und Regierungsdienstellen der
verbündeten Staaten weiter.
Im Jahre 1940 wurde ein
Übereinkommen zwischen dem britischen und polnischen
Geheimdienst geschlossen. Seitdem übermittelte die II. Gruppe
des
Stabes NW den Bedarf an bestimmten
Informationen an die IV. Gruppe des Stabes NW, die für die
Verbindung mit der Heimatarmee im okkupierten Polen
verantwortlich war. Diese wiederum nahm ihrerseits Kontakt mit
der Hauptkommandantur der Heimatarmee in Warschau auf. Dort trug
der Geheimdienst die geforderten Informationen zusammen, die
nach dem Durchlaufen der Abteilung Analysen der II. Gruppe der
Hauptkommandantur an den Stab in London weitergeleitet wurden.
Hier übermittelte diese die Gruppe
VI über die Gruppe II an die britische Verbindungssektion. Ihre
Mitarbeiter sortierten das erhaltene Material nach einem
sachlichen Kriterium und gaben die Informationen in Abhängigkeit
von der Nachfrage an die interessierten Organisationseinheiten
(z. B. Geheimdienste der Luft-, Seestreitkräfte, das Ministerium
für den Wirtschaftskrieg usw.) weiter.
Während des gesamten
Krieges lieferte der Geheimdienst der Heimatarmee den
Verbündeten über 25.000 Rapporte.
Sie beinhalteten u. a.:
 |
Angriffsaufstellungen der
deutschen Armeen an der Ostfront (der Stäbe, Armeegruppen,
Quartiere der Hauptarmeen, Korps und Divisionen
einschließlich der sie befehligenden Offiziere,
Identifikationszeichen, Konzentrationsräume, zahlenmäßige
Stärke usw.); |
 |
Informationen über die
Truppenbewegungen zwischen der Ost- und Westfront; |
 |
Zeichen und Kampfbefehle von
Luftwaffeneinheiten, |
 |
Angaben über die Bewaffnung, die
Industrieproduktion, insbesondere über synthetisches Benzin,
über die Bewegung von Einheiten der Kriegsmarine in
deutschen und baltischen Häfen, über die Produktion von
U-Boten, Panzern und gepanzerten Fahrzeugen, |
 |
Technische Beschreibungen von
Konstruktionen und Erfindungen u. a.. |
Dank der Arbeit des
militärischen Geheimdienstes erhielten die Verbündeten auch
Angaben über die deutschen Truppenbewegungen und deren
Aufstellungen an der Ostfront im Zusammenhang mit dem geplanten
Überfall auf die UdSSR. Diese Nachrichten wurden nach Moskau
übermittelt, das sie jedoch vollständig ignorierte.
Eine andere wichtige
Leistung des Geheimdienstes der Heimatarmee war die Beschaffung
von Informationen bezüglich der geheimen deutschen Raketenwaffen
V1 und V2. In Bezug auf erstere lieferte der Geheimdienst der
Heimatarmee Details von den Arbeiten, die in Peenemünde
durchgeführt wurden, was den Briten gestattete, eine
Entscheidung über die Bombardierung dieses Objektes im August
1943 zu treffen. Im folgenden Jahr erhielten die Verbündeten vom
polnischen Geheimdienst eine komplette Bedienungsanleitung, eine
technische Analyse sowie einzelne Elemente der Rakete V2". Das
ermöglichte die Verteidigung der britischen Inseln gegen die
neue Waffe Hitlers besser vorzubereiten.
Werden Tätigkeit und
Leistungen des Geheimdienstes der Heimatarmee aus zeitlicher
Abstand betrachtet, verwundert die Tatsache nicht, daß die
Deutschen während der gesamten Okkupation versuchten, seine
Elemente unschädlich zu machen. Trotz ihrer unaufhörlichen
Bemühungen und gewisser Erfolge (die Inhaftierung und
Liquidierung einiger älterer Offiziere, darunter der beiden
ersten Befehlshaber des Geheimdienstes der Heimatarmee) gelang
es ihnen jedoch nicht, das Netz des polnischen Geheimdienstes
vollständig zu zerstören. Ungeachtet vieler Verhaftungen und
Mißerfolge erfüllte er die ihm übertragenen Aufgaben nach
zahlreichen Reorganisationen während der gesamten Dauer des
Krieges.
Der britische
Geheimdienst war sich der vom Geheimdienst der Heimatarmee
gegenüber den Verbündeten erbrachten Verdienste vollständig
bewußt und brachte seine Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit
sowohl in ausführlichen als auch in allgemeinen Rapporten zum
Ausdruck, die längere Handlungszeiträume zusammenfaßten.
In einem dieser
Dokumente vom Juli 1942 wurde Dank und Anerkennung dem
Geheimdienst der Heimatarmee ausgesprochen und geschrieben:
„Der Polnische Geheimdienst ist
unsere beste Informationsquelle über den Verlauf der Kämpfe
an der Ostfront. Die Informationen aus Polen sind sehr
wertvoll, und die Aufstellung der Verwundeten in den
Lazaretten, die die Truppeneinheiten der verwundeten
Deutschen angeben, ist eine außergewöhnliche Angelegenheit.
[ ...]
Allgemein gesagt, weisen die
Rapporte ein sehr hohes Niveau auf und werden von uns
geschätzt[ ...] .
Wir können nur schwer zum
Ausdruck bringen, wie wichtig und wertvoll die Verdienste
ihrer ausgezeichneten Organisation sind, deren
Schwierigkeiten sich leicht vorzustellen sind.
Wir danken ihnen herzlich für
die vergangene, gegenwärtige und künftige Arbeit, die mit
Sicherheit ein bedeutender Beitrag in unserer gemeinsamen
Sache sein wird".
Dr. Andrzej Suchcitz, IPMS London
|