|
|
|
PDF
RTF
Einleitung
Der Erwerb und die Produktion von Waffen und Sprengstoffen durch
die Heimatarmee ist ein faszinierendes und bis heute nur
teilweise erforschtes Gebiet. Dafür gab es zahlreiche Gründe,
von denen hier besonders die strenge Geheimhaltung dieser
Produktion, adäquat zu den feindlichen Bemühungen ihrer
Bekämpfung, der verhältnismäßig kleine Personenkreis daran
Beteiligter(überwiegend mit einer ausgezeichneten technischen
Ausbildung), das spärliche Archivmaterial sowie ebensolche
Berichte von Zeitzeugen erwähnt werden sollen.
Die Beschaffungsquellen
Wie wahrscheinlich in jeder bewaffneten Untergrundorganisation,
so herrschte auch in der Heimatarmee ein beständiger Mangel an
Waffen und Sprengstoffen. Diese wurden von der Heimatarmee aus
verschiedenen Quellen beschafft:
 |
die von der Polnischen Armee während der Septemberkampagne
1939 versteckten Bestände; |
 |
Waffen, die im Kampf mit dem Feind oder bei speziellen
Entwaffnungsaktionen gewonnenen wurden; |
 |
die den Okkupanten oder den Soldaten der Satellitenarmeen
(Rumänen, Italiener, Ungarn, Slowaken usw.) abgekauften
Waffen und Munition; |
 |
die von spezialisierten Bahn-Räubern gekauften Waffen; |
 |
die von polnischen Arbeitern aus deutschen Fabriken
gestohlenen Waffen, |
 |
oder schließlich Chemikalien, die durch gefälschte
Verordnungen aus Apotheken, Drogerien oder Lagern gekauft
oder beschafft wurden. |
Eine Beschaffungsquelle für Waffen und Sprengstoffe von Außen
bildeten schließlich die im Jahre 1941 begonnenen alliierten
Abwürfe aus der Luft.
Doch alle diese Quellen waren die gesamte Zeit über höchst
unzureichend, deshalb wurde mit der Herstellung im Untergrund
begonnen.
Die Organisationsstruktur und Aufgaben
Die konspirative Herstellung von Waffen und Sprengstoffen
leiteten, überwachten und koordinierten: die Abteilung
Produktion der Diversionsleitung der Hauptkommandantur der
Heimatarmee, die Sektion der Pioniere der III. (Operations-)
Einheit der Hauptkommandantur der Heimatarmee, als auch der
Rüstungsdienst und die Sektion der Konspirativen Produktion, die
der IV. Abteilung (Logistik) der Heimatarmee untergeordnet
waren.
Die Abteilung Produktion der Kedyw (Kierownictwo Dywersji
Komendy Glownej Armii Krajowej - die Leitung Diversion der
Hauptkommandantur der Heimatarmee) /Decknamen: „Teodor“,
„Remiza“/ arbeitete ab November 1942. Seine Leiter waren
Oberstleutnant Franciszek Niepokolczycki (Decknamen: „Franek“,
„Teodor“) und nachfolgend (im September 1943) Leutnant
Franciszek Hamanowicz (Deckname: „Rebisz“). Die Aufgabe dieser
Abteilung war die Herstellung von Waffen und Materialien zu
Diversionszwecken für die Bedürfnisse der laufenden Kämpfe. Sie
zählte achtundvierzig Mitarbeiter.
Die Sektion der Pioniere der III. (Operations-) Einheit der
Hauptkommandantur der Heimatarmee (Decknamen: 32, „Pas“,
„Siekiera“) wurde bereits 1939 gegründet und von Major/
Oberstleutnant/ Oberst Franciszek Niepokolczycki (mit einer
einjährigen Unterbrechung von Herbst 1942 bis Herbst 1943, als
ihn Oberstleutnant Dipl. Ryszard Zyms vertrat) angeführt. Dieser
Sektion unterstanden das Büro für technische Untersuchungen (ab
Mai 1942 zusammengelegt mit dem Büro für Studien der Kedyw der
Hauptkommandantur der Heimatarmee zum Büro für Studien und
Technische Untersuchungen (BBT)) sowie die Produktionsstätten
für die Sprengstoffherstellung.
Das BBT organisierte und leitete während der gesamten
Okkupationszeit Oberleutnant/Hauptmann Ing. Zbigniew Lewandowski
(Decknamen: „Szyna“, „Zbigniew“). Zum Büro gehörten die
Bereiche: Prototypen und Muster, Studien zu Kampfmaterialien,
Studien über die Sabotage und Diversion, der Bereich Transport,
das Verlagswesen, das Referat Materialien und Abwurfgeräte, die
Patrouille Truppenübungsplatz und experimentelle Diversion, das
Archiv und das Lager. Zur Aufgabe des Büros wurden die
Aufarbeitung und Nutzbarmachung von Sprengstoffen nach der
Septemberkampagne 1939, die Erarbeitung und der Test von
Materialien und Einrichtungen zur Sabotage und Diversion
(besonders im Schienenverkehr), die Ausarbeitung entsprechender
Anweisungen und die Vorbereitung von Instruktoren für Sabotage-
und Diversionsaktivitäten, der Test und die Anpassung der Geräte
und Materialen aus den Abwürfen aus der Luft und deren
Nutzbarmachung für konspirative Zwecke.
Das Büro hatte einen eigenen Übungsplatz für Experimente in den
Wäldern, nahe Jozefow bei Warschau und beschäftigte ca. dreißig
Mitarbeiter.
Dem Befehlshaber der Sektion der Pioniere unterstanden ebenso
die Warschauer Produktionsstätten von Sprengstoffen:
„Farbiarnia“ in der Krochmalna-Straße 15, „Kinga“ in der
Solec-Straße 103, „Asfaltowa“ in der Asfaltowa-Str.15, „Wola“ in
der Wolska-Str.56, und „Powazki“ an der Kreuzung von Okopowa-
und Powazkowska-Straße.
Der Bewaffnete Dienst, Abt. IV. der Hauptkommandantur der
Heimatarmee (Deckname: „Lesnictwo“) entstand im Mai 1940, sein
Chef war während der gesamten Zeit Oberstleutnant Jan Szypowski,
(Deckname: „Lesnik“). Die Aufgaben dieses Dienstes waren während
der Konspiration:
 | die
Ausarbeitung von Plänen zur Deckung des Bedarfes der
Streitkräfte an Waffen, |
 | das
Beschaffen und Bearbeiten von Angaben über die Anzahl und
Arten der Waffen, die im ganzen Land gelagert werden, |
 | das
Sammeln von Daten über Rüstungsfabriken, die für die
Okkupanten arbeiteten, sowie das Vorbereiten von Plänen für
ihre Über- und Inbetriebnahme, |
 | das
Zusammentragen der technischen Daten über die Bewaffnung des
Gegners, |
 | das
Vergrößern von Waffenbeständen durch Käufe vom Okkupanten, |
 | die
Eigenproduktion und Abwürfe aus der Luft, |
 | die
technische Aufsicht über Waffenlager |
Die Sektion der Konspirativen Produktion O.(IV. Abteilung), die
der Hauptkommandantur der Heimatarmee unterstand (Decknamen:
„Drzewo“, „Perkun“, „Waga“, „Ciesla“), wirkte ab April 1942 und
wurde die ganze Zeit über von Leutnant Ing. Witold Gokieli
(Deckname: „Ryszard“) angeführt. Zu den Aufgaben der Sektion
gehörten sowohl die Leitung und Finanzierung der Herstellung und
Reparatur von Waffen für die Heimatarmee auf dem Gebiet des
ganzen Landes, als auch der Einkauf/Beschaffung hierfür nötiger
Materialien und Geräte. Die Sektion arbeitete folglich mit den
Produktionsgruppen der Kedyw, mit der Abteilung der Pioniere
sowie mit dem Waffendienst zusammen. Die Sektion verfügte über
einen Transport- und Lagerbereich sowie über eine eigene
Schutzpatrouille für die Transporte. In ihren Reihen arbeiteten
177 Personen.
Produktionsstandorte
Die konspirative Herstellung von Waffen und Sprengstoffen
erstreckte sich über das ganze Gebiet des Polnischen Staates im
Untergrund, obwohl sie am wirksamsten in den Zentren: Warschau,
Kielce-Radom, Krakau und Lublin, Vilnus und Lwow funktionierte.
Besonders stark entwickelte sie sich in der Hauptstadt während
des Warschauer Aufstandes.
Die Schaffung von Waffenkammern im Untergrund
Maschinenpistolen:
Bei der Herstellung von Handfeuerwaffen in mehr als zehn
Werkstätten wurde das Hauptaugenmerk auf die heimische Version
der englischen 9mm Maschinenpistole "Sten" gelegt, die sich
durch einfache Konstruktion und Zuverlässigkeit in der Funktion
auszeichnete. Es wurden insgesamt etwa 1000 Exemplare der "Stan"
produziert.
Es
wurde auch die heimische Version einer 9mm Maschinenpistole
"Blyskawica" (Blitz) entwickelt. (Ing. Waclaw Zawrotny
(Deckname: "Blyskawica"), Ing. Seweryn Wielanier
(Deckname:"Prawa Reka") und Ing. Kazimierz Czerniewski
(Deckname: "Korebko"). Insgesamt wurden etwa 700 Exemplare von
der "Blyskawica" gefertigt.
Handgranaten und Molotow-Cocktails
Es
wurden viele Arten von Granaten hergestellt. Die wichtigsten
waren aber die in der Konspiration entwickelten
Angriffsgranaten: die Stoßgranate ET-40 "filipinka"(Konstruktion
1940 von Edward Tymoszak) und die Zeit(zünder)granate
"sidolowka" (Konstruktion der Granate mit Reibungszünder P-42
von Wladyslaw Pankowski im Jahre 1942) Insgesamt wurden etwa 400
Tausend Handgranaten aller Typen hergestellt.
Vor allem während des Warschauer Aufstandes wurden auch die
ungemein wirksamen Molotow-Cocktails hergestellt, die oft
technisch weiterentwickelt waren (die Brennsubstanz - Benzin mit
einem Zusatz konzentrierter Schwefelsäure, und die Zündung -
Kaliumchlorid mit gemahlenem Zucker).
Flammenwerfer und Molotow-Cocktails (Handgranaten):
Der Flammenwerfer - eine gefährliche, aber recht einfache und
sichere Waffe in der konspirativen Produktion, besaß sein
eigenes "Untergrund"-Muster: den Flammenwerfer Typ "K". Es
wurden davon etwa 900 Exemplare gefertigt.
Bereits während des Warschauer Aufstandes, wurde zum Beheben der
Mängel in der Panzerabwehr u.a. mit der Herstellung von
Schleudereinrichtungen für das Abwerfen von Molotow -
Cocktails/Handgranaten begonnen (Konstrukteur Ing. Henryk Knabe,
(Deckname: "Glowacki"), Abschussrampen für Molotow-Cocktails des
Typs "Armbrust"(Jan Bobrowski und Marian Chmielewski),
Abschussrampen für Molotow-Cocktails, die mit einer Gummischnur
angetrieben wurden (Ing. Szepan Kielb), röhrenartige
Abschussrampen für Molotow-Cocktails /Sergeant Bogumil
Jaszkowski, (Deckname: "Jarek")/.
Granatwerfer und Mörser:
Der spürbare Mangel an Waffen für die Unterstützung der
Infanterie machte während des Warschauer Aufstandes Versuche mit
folgenden Konstruktionen notwendig: den 75 mm-Granatwerfer mit
einem in seiner Form abgestumpften Panzerabwehrgeschoss (Ing.
Zbigniew Paczkowski, Ing. Ludomir Heger), der 80 mm-
Granatwerfer mit einem den Panzer in Brand setzenden Geschoss,
den 80 mm-Mörser (Ing. Mieczyslaw Lopuski, Ing. Eugeniusz
Zochowski), den 120 mm-Mörser, und weitere.
Sabotagematerialien:
Es
wurde mit der Produktion spezieller Diversionsmaterialien
begonnen, die gegen die Industrie und gegen den Transport auf
Straße und Schiene des Okkupanten gerichtet waren.
Die Produktion umfasste u.a.: Dornen zum Durchstechen von Reifen
/so genannte "zabki" (Fröschlein)/, Werkzeugsätze zur Demontage
von Gleisen, verschiedene Zündladungen, Thermit- und Zeitbomben,
Nebel- und Signalkerzen, chemische Substanzen, die zu so
genannten "Ausräucherungsaktionen" in Kinos oder Theatern
verwendet wurden.
Panzerwaffen:
Während des Warschauer Aufstandes wurde ein Panzerfahrzeug auf
dem Fahrwerk eines LKW des Typs "Chevrolet" konstruiert, das
"Kubus" genannt wurde. Seine Konstrukteure waren Ing. Walerian
Bielecki (Deckname: "Jan") und Jozef Fernik (Deckname:
"Globus").
Sprengstoffe und Munition:
 |
Im Untergrund wurden folgende Sprengstoffe entworfen,
erforscht, oder produziert: Initialsprengstoffe -
Quecksilberfülminat, Bleiazid,
Tetryl, Trinitroresorstannat |
 |
Plastische/zerbröckelnde Stoffe - wie z.B.:
 |
Cheddit (ein Gemisch aus Kaliumchlorat Rizinusöl und
Nitronaphtalin)
|
 |
Ammonit, |
 |
Trotyl. |
|
Das für die Initialzünder unerlässliche Trotyl wurde in einer
Gesamtmenge von 300 kg produziert.
Cheddit, gewonnen aus Kaliumchlorat, war am populärsten, weil
man es bei der Untergrundproduktion am einfachsten herstellen
konnte. Insgesamt wurden 65.000 kg produziert.
Von Ammonit wurden insgesamt 4.000 kg erzeugt.
Trotyl, wurde aus den von der Polnischen Armee übernommenen
Vorräten aus der Septemberkampagne 1939 und aus den Abwürfen der
Alliierten aus der Luft verwendet (ausschließlich auf diesem
Wege wurde noch ein ausgezeichnetes Material ins Land gebracht-
Plastiksprengstoff.
Erwähnenswert ist auch, dass erhebliche Mengen von Sprengstoffen
während des Warschauer Aufstandes aus demontierten Blindgängern
(Bomben oder Geschossen) gewonnen wurden.
Bei der Produktion von Sprengstoffen haben sich u.a.
außerordentlich verdient gemacht: Ing. Boleslaw Andrzej Honowski
- Deckname: “Antoni“, Hauptmann Tadeusz Smisniewicz - Deckname:
„Hrabia“, Ing. Janina Szabatowska - Deckname: „Janka“, Ing.
Ludomir Heger - Deckname „Andrzej“, Ing. Franciszek Przezdziecki
- Deckname: „Rafal“.
Die Heimatarmee stellte selbst keine Munition her. Es wurde
jedoch ein Netz von Werkstätten aufgebaut, die die Pistolen- und
Karabinermunition zusammenbauten, die von polnischen Arbeitern
in Teilen aus den deutschen Fabriken in Skarzysko-Kamienna und
Czestochowa herausgeschmuggelt wurden.
Auf diese Art und Weise gewann man über eine halbe Million
Patronen.
Es
soll auch an die drei Werkstätten erinnert werden, die während
des Warschauer Aufstandes die Munition reparierten, die aus
schlecht gesicherten sowjetischen Abwürfen stammte. Zwei dieser
Werkstätten befanden sich in Warszawa-Srodmiescie, /die Leiter
waren: Leutnant Mieczyslaw Przepiorkiewicz, (Deckname: „Leutnant
Marek“) und Hauptmann Ing. Franciszek
J.
Pogonowski, (Deckname: „Hauptmann Marek“) und eine in
Warszawa-Zoliborz.
Zur Vervollständigung des Bildes der großen und einzigartigen
konspirativen Bemühungen bei der Herstellung von Waffen und
Sprengstoffen durch die Heimatarmee, muss an die Vielzahl der
Schlossereien, Schmieden, oder improvisierten Büchsenmachereien
erinnert werden, die Waffen der Partisanen reparierten, oder
einfache Diversionsvorrichtungen bauten.
Rafal E. Stolarski (Warschau)
Bibliographie
 |
Bohaterowie drugiej linii. Dorobek polskich podziemnych
zbrojowni 1939 - 1944.
Materialy z sympozjum, Muzeum Wojska Polskiego Warszawa 11
maja 1998.
(Die Helden der zweiten Linie. Die Verdienste der polnischen
Zeughäuser im Untergrund 1939-1944. Materialien vom
Symposium, Museum der Polnischen Armee, Warschau, 11. Mai
1998) |
 |
Stanislaw M. Jankowski, „Steny“ z ulicy Mogilskiej, Krakow
1977
(Stanislaw M. Jankowski, „Steny“ von der Mogilska Straße,
Krakau 1977) |
 |
Stanislaw M. Jankowski, „Steny” bija celnie, Krakow 1983
(Stanislaw M. Jankowski, „Steny“ treffen sicher, Krakau
1983) |
 |
Marek Ney-Krwawicz, Komenda Glowna Armii Krajowej 1939 -
1945, Warszawa 1990
(Marek Ney-Krwawicz, Die Hauptkommandantur der Heimatarmee
1939-1945, Warschau 1990) |
 |
Franciszek Jan Pogpnowski, Podziemna zbrojownia, Warszawa
1975
(Franciszek Jan Pogonowski, Das Zeughaus im Untergrund,
Warschau 1975) |
 |
Polskie Sily Zbrojne w drugiej wojnie swiatowej, t. III,
Armia Krajowa, Londyn 1950
(Die Streitkräfte Polens im Zweiten Weltkrieg, Band III,
Heimatarmee, London 1950) |
 |
Kazimierz Satora, Podziemne zbrojownie polskie 1939 - 1944,
Warszawa 2001
(Kazimierz Satora, Polnische Zeughäuser im Untergrund
1939-1944, Warschau 2001) |
 |
Kazimierz Satora, Produkcja uzbrojenia w polskim ruchu oporu
1939 - 1944, Warszawa 1985
(Kazimierz Satora, Die Aufrüstung in der polnischen
Widerstandsbewegung 1939-1944, Warschau 1985) |
|
|