ach der
Kapitulation Warschaus vom 28.09.1939 und Einstellung der Kämpfe
begann das polnische Volk schnell, trotz der erlittenen
Niederlage die Trümmer zu beseitigen und ein Schulwesen zu
organisieren. Leider begannen die Deutschen ebenfalls eilig
damit, ihre Zivilverwaltung einzurichten. Das Territorium Polens
wurde unterteilt in: die Gebiete, die dem Reich einverleibt
wurden (Schlesien; Posener Gegend, Pommern) und das
Generalgouvernement (bis zu Bug-Linie) mit der Hauptstadt in
Krakau, wo der Gauleiter Frank regierte.
Die Deutschen hielten ihre Pläne in Bezug
auf die polnische Bevölkerung nicht geheim. Es ging ihnen nicht
nur um Gebietseroberung sondern auch um die Vernichtung der
polnischen Kultur. Die Polen sollten nur als Arbeitskraft
Verwendung finden.
Ein großer Schock für die Menschen war am
06.11.1939 die Verhaftung der Professoren der
Jagiellonen-Universität nach der Vorlesung von Müller, einem
Gestapo-Offizier, der den Rektor um die Organisation seines
Vortrages gebeten hatte.
In den an das Reich angeschlossenen Gebieten
gab es überhaupt keine polnischen Schulen, nicht einmal
Grundschulen, und in die deutschen Schulen konnten die
polnischen Kinder nicht gehen. Und dennoch - trotz des Terrors
entstanden dort aus eigenem Antrieb illegale Schulen: Lehrer
versammelten einige Kinder aus ihrem Stadtteil um sich und
unterrichteten sie unter strengster Geheimhaltung; oft baten die
Eltern darum, sich mit ihren Kindern zu beschäftigen, damit sie
nicht mangels Unterricht demoralisiert wurden, sie bezahlten dem
Lehrer entsprechend ihren Möglichkeiten dafür. Ein Lehrer
unterrichtete seine Gruppe im Rahmen der Volksschule nach dem
Vorkriegslehrplan zwei oder drei Mal in der Woche. Die Anzahl
der Gruppen wuchs, und der Lehrer mußte einen Stundenplan
erarbeiten, um einige Gruppen in unterschiedlichen
Räumlichkeiten unterrichten zu können. Das war nur durch eine
enge Zusammenarbeit mit den Eltern möglich, die ihre sehr
kleinen, schlecht beheizten Wohnungen zur Verfügung gestellt
haben (größere Wohnungen wurden beschlagnahmt). Für den Fall daß
ein Deutscher plötzlich auftaucht, erklärte man, daß das
Deutsch- und Rechenunterricht ist, Fächer, die die Kinder doch
brauchen, wenn sie schon ab dem 12.- 14. Lebensjahr als
unqualifizierte Arbeiter arbeiten werden müssen.
In diesen Gebieten befand sich das illegale
Schulwesen unter der Obhut und der teilweisen Leitung
militärischer Organisationen.
Im Generalgouvernement wurden die
Hochschulen und Oberschulen abgeschafft, es blieben nur Grund-
und Berufsschulen mit einem beschnittenen Lehrprogramm und dem
Verbot erhalten, die Geschichte Polens, Heimatkunde und
Literatur zu unterrichten.
Die deutsche Organisation des Schulwesens
stützte sich auf die polnischen Bildungsbehörden, führte in
diese Institutionen Deutsche als Leitungspersonal ein,
reduzierte allmählich die Anzahl der beschäftigten Polen und
ihre Kompetenzen immer mehr.
Ende Oktober 1939 entstand die
Geheimorganisation der Lehrer TON, - die den größten Polnischen
Lehrerverband sowie fünf andere Lehrerorganisationen vereinigte.
Auf Initiativen der Militärbehörden ZWZ entstand die Kommission
für Volksbildung. Es gab aber auch regionale Initiativen. Später
entstand im Jahre 1940 die Abteilung Bildung und Kultur der
Delegatur der Polnischen Regierung. Ihre Hauptaufgabe war: die
Vorbereitung von Lehrplänen und Prüfungen sowie die Ausarbeitung
von Zukunftsprojekten. TON standen Subventionen der Londoner
Regierung zur Verfügung. Es galt ein konspiratives
Unterrichtssystem zu schaffen, das sich auf die gesamte
Gesellschaft stützte. Das war eine der Formen des Kampfes mit
dem Okkupanten.
TON umfaßte zu Beginn das Volksschulwesen.
In den höheren Klassen wurden verbotene Fächer unterrichtet und
in der fiktiven Klasse VII wurde der Lehrplan der Klasse I des
Gymnasiums gelehrt. Wenig später entstanden Schülergruppen mit
dem Programm der Oberschule. Es wurden bestimmte Prinzipen
festgelegt: die Anzahl der Schüler einer Gruppe sollte 5 - 6
Personen betragen, die Anzahl der Unterrichtsstunden wurde auf
die Hälfte der verbindlichen Vorkriegs-Stundenzahl eines jeden
Faches reduziert; und die Unterrichtsstunden sollte zweistündig
sein. In einer Wohnung konnte der Unterricht zwei Mal in der
Woche stattfinden. Die Schülergruppe sollte die Wohnung
innerhalb eines Tages nicht wechseln, dafür lief aber der Lehrer
von Unterricht zu Unterricht in die Wohnungen. In Ausnahmefällen
- wenn z.B. der Schulraum gute Sicherheitsbedingungen erfüllte
und man den Unterrichtsplan der Berufsschule mit der Stunde des
Geheimunterrichts abstimmen konnte - war das offiziell z. B
Buchhaltungsunterricht, der von der Lehrerin dieses Faches
geleitet wurde, inoffiziell aber führte z. B. den Unterricht die
Lehrerin für Geschichte durch (die letztere hatte das Recht,
sich in der Klasse als Klassenlehrerin aufzuhalten). Im Falle
eines Klingel-Warnsignals sollten sie ihre Rollen tauschen. Die
Lehrer für Mathematik, Geschichte, u. ä. wurden oft nach einer
gewissen Umschulung als Lehrer für die Berufsfächer eingesetzt.
Die Professoren der Hochschulen in Warschau
und Krakau leiteten die geheimen Gruppen. Die Eröffnung der
neuen Berufsschulen mit Zustimmung der deutschen Schulbehörden
half bei der Organisation der geheimen Bildung auf
Universitätsniveau. Die konnte zumindest in den Räumlichkeiten
dieser Schulen stattfinden und ihre wissenschaftlich-technischen
Hilfsmittel nutzen. Z. B. war die Schule für
Sanitätshilfspersonal mit dem Leiter Doz. Jan Zaorski in
Wirklichkeit eine Medizinische Fakultät der Universität J.
Pilsudski. Die Schule für Zeichnen, Kurs Technisches Zeichnen,
das war die ehemalige Warschauer Technische Hochschule.
Die Berufsschule für Landwirtschaft und die
private Fischereischule - das war die ehemalige Hochschule für
Landwirtschaft (SGGW).
Professor Edward Lipinski von der
Handelshochschule (SGH) bekam eine Lizenz zur Führung einer
einjährigen ökonomischen Schule. Nach einem Jahr erhielt man das
Abschlußzeugnis einer Klasse für den „Allgemeinen Handel", und
dann studierte die Jugend in den Klasen „Industrie" und
„Bankwesen" im zweiten und dritten Studienjahr.
Im Februar wurde ein Teil der Professoren
der Jagielloner Universität aus dem Lager entlassen. Im Dezember
diesen Jahres kam Professor Mieczyslaw Malecki zurück und
übernahm in Abstimmung mit der Führung des Untergrundes die
Arbeit am „Institut für Deutsche Ostarbeit", wo er offiziell
Materialien für ein Wörterbuch polnischer Ausdrücke
zusammenstellen sollte, die aus der deutschen Sprache entlehnt
sind. Inoffiziell beschaffte er dank seines Zugangs zu den
Sammlungen der Jagiellonen-Bibliothek aus ihr aber Bücher, die
für illegale Vorlesungen notwendig waren. Kurz darauf zog er
andere Professoren zur Mitarbeit heran; ab April 1942 begannen
die illegale Fakultät für Polonistik und danach die Fakultät für
Recht zu arbeiten. Prof.Malecki organisierte auch
Handwerksgenossenschaften und registrierte in ihnen Meister
(Professoren), Gesellen (Assistenten) und Arbeiter (Studenten)
verschiedener Firmen.
Das polnische Territorium östlich des Bugs
gelangte erst nach dem Jahr 1941 unter deutsche Herrschaft. In
diesen Gebieten blieben in den Jahren 1939 - 1941 in
unterschiedlichem Umfang und Formen Grund- und Oberschulen mit
der Unterrichtssprache Polnisch erhalten. Der deutsche Okkupant
liquidierte diese Schulen.
Der illegale Unterricht, das waren nicht nur
die Bildung der Jugend sondern auch erzieherische Bemühungen.
Die Lehrer betrachteten die Durchführung des illegalen
Unterrichtens als ihre Bürgerpflicht, und die Jugend ihrerseits
war lernbegierig und erreichte gute Ergebnisse. Sowohl die Einen
wie die Anderen wußten, daß bei Entdeckung den Schülern und
Lehrern aber auch den Wohnungsbesitzern, bei denen die Gruppen
lernten, Gefängnis und Konzentrationslager drohten. Brutale
Repressionen, die vom Okkupanten angewandt wurden, hielten
jedoch nicht vom illegalen Lernen ab.
Mehr Informationen dazu kann man aus folgenden
Büchern erhalten:
- Nadzieja Drucka, Die Schule im Untergrund, (Szkola w
Podziemiu) Verl. MON, Warschau 1973
- Janina Kazmierska, Das Warschauer Schulwesen in den
Jahren 1939 - 45 (Szkolnictwo warszawskie w latach
1939-45),PWN, Warschau 1980
- Mikolaj Kozakiewicz und Stanislaw Brzozowski, Die Schule
in der Konspiration (Szkola w Konspiracji), IW, Nasza
Ksiegarnia" Warschau 1960
- Adam Kowalski „Tagebuch eines Lehrers" (Pamietnik
nauczyciela), Verl. Lodz, Lodz 1969.
- Stefan Korbonski, Der Polnische Untergrundstaat (Polskie Panstwo Podziemne), Verlag „Promyk"
Philadelphia P.A.
Ewa Bukowska, London