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Die
Veröffentlichung dieses Artikels wurde durch
die
Großzügigkeit der Stiftung de Brzezie Lanckoronski ermöglicht.
Im
Jahre 1943 trat der Krieg in eine neue Phase. Die Alliierten
gingen zur Offensive in Rußland, Italien und im Fernen Osten
über. Die Frage war nicht mehr ob, sondern wann die Verbündeten
den Krieg gewinnen. Je mehr sich die Kämpfe dem Ende näherten,
desto schwieriger gestaltete sich die Lage für die polnische
Regierung.
Dennoch
glaubte der Premier General Wladyslaw Sikorski weiterhin, daß er
mit Hilfe von Churchill und Roosevelt zu einer Einigung mit
Stalin kommen könnte.
Er vertraute weiterhin darauf,
daß früher oder später die westlichen Alliierten ihre Einflüsse
im Sinne Polens geltend machen würden.
Doch am
4. Juli 1943 kam Wladyslaw Sikorski ums Leben, als das Flugzeug,
mit dem er unterwegs war, beim Start auf Gibraltar zerschellte.
Die allgemeine Reaktion war voller Hochachtung für den Toten,
aber Sikorski hinterließ eine schwierige Situation, die auch
nicht durch die Ernennung seines Nachfolgers gemildert werden
konnte.
Am 14.
Juli wurde eine neue Regierung unter dem Vorsitz von Stanislaw
Mikolajczyk, dem Führer der Volkspartei (Stronnictwo Ludowe)
geschaffen, gleichzeitig wurde General Kazimierz Sosnkowski zum
Oberbefehlshaber ernannt. Auf diese Art und Weise wurden beide
Funktionen getrennt, die Sikorski bisher in einer Person
ausübte.
Mikolajczyk
führte die Außenpolitik von Sikorski in der Hoffnung fort, daß
er zu einer Verständigung mit Stalin käme, die nach Beendigung
der Kriegshandlungen und mit Hilfe des Widerstandes seiner
Regierung die Übernahme der Macht in Polen ermöglichen würde.
Mikolajczyk
war der Überzeugung, daß er freundschaftliche Beziehungen mit
Moskau anstreben und „Demagogie und Kompromißlosigkeit"
einstellen müßte, ausgehend von der Annahme, daß die Meinungen
in bestimmten polnischen Kreisen über die Möglichkeiten eines
West-Ost-Konfliktes „trügerisch und gefährlich" seien. Er war
sich der Tatsache bewußt, daß die Alliierten keinerlei Absicht
haben, für die polnischen Ostgrenzen zu kämpfen und daß sie im
Krisenfall sich nicht auf die Seite Polens stellen würden.
Dennoch vertraute er darauf, daß wenn es zu einer
polnisch-sowjetischen Verständigung käme, Großbritannien und die
USA bereit sein würden, die Souveränität Polens zu garantieren.
Diese Vorstellung war von übertriebenem Optimismus
gekennzeichnet.
Sosnkowski
war seinerseits überzeugt, daß er die territoriale und
politische Unteilbarkeit Polens „entgegen allem und allen"
verteidigen müsse. Er war gegen Zugeständnisse, weil diese
seiner Meinung nach zu einer stufenweisen „Sowjetisierung
Polens" führen würden. Er war überzeugt, daß die Westmächte
früher oder später gezwungen sein könnten, „mit offenen Karten
gegen den sowjetischen Imperialismus zu spielen", somit gäbe es
keine Notwendigkeit eine versöhnlerische Haltung gegenüber
Moskau einzunehmen. Er behauptete, daß die „Londoner" Polen
weder einen Einfluß auf die Politik der Sowjets, noch auf die
Ergebnisse der militärischen Operationen hätten; also bliebe
ihnen nicht anderes übrig, als ihre Rechte zu verteidigen und
„dergleichen von den Westmächten zu fordern". Er hegte den
Wunsch, daß die Polnische Sache das „Gewissen der Welt" bewegte
und zu einem Präzedenzfall für spätere Staaten in Europa werden
sollte.
Als Oberbefehlshaber glaubte er,
daß er bevollmächtigt sei, eine wichtige politische Rolle zu
spielen. Die Beziehungen zu Mikolajczyk blieben angespannt.
Im
Oktober 1943 gab die Regierung der Republik Polen dem Untergrund
in Polen Richtlinien bezüglich seiner Verhaltensweisen in Bezug
auf die bevorstehende deutsche Niederlage heraus. Sie
beinhalteten die Feststellung, daß in Zukunft die Regierung dem
Untergrund den Befehl zur Durchführung eines „Aufstandes" gegen
die Deutschen oder zur „Verstärkung der Sabotage- und
Diversionstätigkeiten" in Abhängigkeit von der strategischen und
politischen Situation geben kann. Das Ziel des Aufstandes wäre
die Befreiung Polens von der deutschen Okkupation und die
Machtübernahme im Namen der Regierung der Republik Polens
gewesen, was von der englisch-amerikanischen Hilfe abhing. Das
Problem bestand darin, daß die Regierung der Republik Polen
nicht in der Lage war, zu bestimmen, wie diese Hilfe für den
Untergrund aussehen könnte.
Seit
1941 lieferte Großbritannien dem Untergrundstaat auf dem Luftweg
geschultes Personal, Geld, Waffen und Ausrüstungen für die
Weiterführung von nachrichtendienstlichen Aktionen sowie von
Sabotage- und Diversions-handlungen. Jedoch lehnten die
britischen Behörden es ab, die Heimatarmee durch Waffen und
Ausrüstungen zu unterstützen, die die Organisierung des
„Aufstandes" ermöglichten. Die Verantwortung für sein
„Entfachen" überließ die britische Regierung der Regierung der
Republik Polen.
Am 5.
Oktober 1943 erklärte der Minister für auswärtige
Angelegenheiten Anthony Eden vor dem britischen
Kriegsministerium, daß die Versorgung der Heimatarmee mit Waffen
sich als ein schwieriges Problem darstelle und daß eine solche
Handlung ohne die Abstimmung mit der Sowjetunion unternommen,
als eine Mißachtung angesehen werden könne. So erhielt die
Heimatarmee in den Jahren 1941 - 1945 in der Tat nur 600 Tonnen
Versorgungsgüter aus anglo-amerikanischen Quellen.
Gemäß
den Direktiven der Regierung der Republik Polen war die Haltung
kompliziert, die gegenüber den vorrückenden sowjetischen Kräften
eingenommen werden sollte. In den Direktiven war das Prinzip
formuliert, daß wenn beim Einmarsch der Roten Armee in Polen die
sowjetisch-polnischen Beziehungen keiner Verbesserung
unterliegen würden, die Heimatarmee ausschließlich im Rücken der
Deutschen operieren, auf den sowjetisch okkupierten Gebieten
jedoch im Untergrund bleiben sollte, bis sie neue Befehle
erhalten würde.
Der
Entschluß zur Verschwörung der Heimatarmee war eine äußerst
gefährliche Idee, denn aller Wahrscheinlichkeit nach würde er zu
einem offenen Konflikt mit den sowjetischen Sicherheitsbehörden
mit tragischen Konsequenzen führen.
Die
Anweisung erhielt einen Widerspruch, dessen sich die Autoren
nicht bewußt zu sein schienen. Die „Sabotage- und
Diversionshandlungen" waren als Manifestation mit politischem
Charakter beabsichtigt, aber im Falle des Einmarsches der
sowjetischen Truppen in Polen müßten sie jedoch als
Verschwörungsaktion durchgeführt werden, und somit hätten die
Abteilungen, die in Kämpfe mit den Deutschen verwickelt waren,
erneut in den Untergrund gehen müssen.
Somit
erwartete die Regierung der Republik Polen von der Heimatarmee,
daß sie erst eine aktive Rolle spielen sollte und dann
verschwinden müßte - was eine Feindschaft sowohl von deutscher
als auch von sowjetischer Seite hervorgerufen hätte. Der
Befehlshaber der Heimatarmee General Bor-Komorowski nahm diese
irrealen Befehle widerwillig entgegen und beschloß sie zu
ignorieren. Den gegen die Deutschen kämpfenden Soldaten der
Heimatarmee befahl er, sich den sowjetischen Truppen zu erkennen
zu geben und „damit die Existenz Polens zu bezeugen": Er wußte,
daß anderenfalls die Aktionen der Heimatarmee gegen die
Deutschen von den Kommunisten für sich beansprucht werden
würden.
Die
Heimatarmee sollte entweder einen „allgemeinen und
gleichzeitigen Aufstand" oder eine „verstärkte
Diversionshandlung" unter dem Decknamen „Sturm" (Burza)
auslösen. Die Lage der deutschen Einheiten sollte darüber
entscheiden, welche Handlung vorzunehmen sei.
Der
Aufstand sollte im Moment des Zusammenbruchs der Deutschen
ausgelöst werden, der „Sturm" jedoch im Augenblick ihres
Rückzuges aus Polen. Der „Sturm" sollte im Osten entfacht werden
und sich nach Westen je nach Frontverlauf bewegen. Das Wesen des
Planes „Sturm" war vielmehr ein schrittweises Entfachen von
Aufständen in den Gebieten, von denen aus der deutsche Rückzug
begonnen hatte, als eine synchronisierte Aktion, die auf allen
Gebieten gleichzeitig ausbrechen sollte. Weder gegen die
sowjetische Armee noch gegen die sogenannte Berling-Armee
sollten Aktionen unternommen werden
Im Hinblick auf die abgebrochenen
diplomatischen Beziehungen sollte die Heimatarmee ihre Aktionen
unabhängig von der Roten Armee durchführen.
Das
Gelingen der Aktion „Sturm" hing vor allem von ihrer
Koordination ab. Ein vorzeitiges Beginnen der Kämpfe gegen die
deutschen Kräfte konnte ohne die Beteiligung der Roten Armee zu
einer Niederlage führen Die Heimatarmee sollte bis zum letzten
Augenblick den deutschen Rückzug abwarten. Der Aktion „Sturm"
lag ein einfacher Plan zugrunde, der aber von riskanten oder
sogar gefährlichen Punkten durchsetzt war. Die Aktion hätte eine
größere Erfolgschance gehabt, wenn sie mit den Operationen der
sowjetischen Truppen koordiniert gewesen wäre, was in der
damaligen Situation jedoch unmöglich war. Anfangs wurden größere
Städte von der Aktion „Sturm" ausgenommen, um ihre Einwohner und
Bauwerke zu schonen. Im Juli 1944 machte Bor-Komorowski jedoch
seinen Entschluß ungültig und befahl den Einheiten der
Heimatarmee die Besetzung größerer Städte, noch bevor dort die
sowjetischen Truppen einmarschieren, weil er sich endlich
darüber klar wurde, daß die Einnahme der Städte unabdingbar war,
um den sowjetischen Machthabern bewußt zu machen, wer in diesen
Gebieten herrschte.
Die
politischen Absichten der Entscheidung von Bor-Komorowski waren
offensichtlich: " Dadurch, daß wir den Sowjets die
geringstmögliche militärische Unterstützung geben, schaffen wir
ihnen politischen Schwierigkeiten". Die Entscheidung von
Bor-Komorowski im Februar 1944 über die Offenbarung der
Heimatarmee gegenüber den sowjetischen Truppen wurde von der
Regierung der Republik Polen bestätigt. Die Würfel waren
gefallen. Die Regierung nahm an, daß die Aktionen der
Heimatarmee eine Übernahme der politischen Macht in Polen
ermöglichen oder aber, daß sie eine Intervention der Westmächte
in ihrem Namen und der Verteidigung der polnischen Sache
gegenüber der Sowjetunion hervorrufen würden. Diese Meinung
bestand jedoch in großem Maße aus frommen Wünschen.
Die
Aktion „Sturm" begann in Wolynien in Februar und breitete sich
auf die Regionen Vilnius, Lwow und Lublin aus. In Wolynien trat
ein bestimmtes Ereignismuster auf, das sich bald darauf in
anderen Teilen Polens zu wiederholen begann. Für alle
Interessierten - sowohl die Sowjets, als auch die Deutschen und
Polen - war es offensichtlich geworden: kurz vor dem Einmarsch
der Roten Armee in irgend ein Gebiet des Landes wurden die
regionalen Einheiten der Heimatarmee mobilisiert, konzentriert
und in Angriffsaktionen gegen die Deutschen kommandiert. Im
Verlauf der Kämpfe entstand eine vorübergehende Verbindung und
Zusammenarbeit mit den sowjetischen Einheiten. Anfangs waren die
beiderseitigen Beziehungen freundschaftlich. Nach der Beendigung
der Kämpfe wurden dieselben Abteilungen der Heimatarmee, die
sich auf den von der Roten Armee besetzten Gebieten befanden,
entwaffnet, in die Berling-Armee eingegliedert oder in die
Sowjetunion deportiert. Mit zunehmendem Fortschreiten der Aktion
„Sturm" wurde klar, daß Stalin weder in militärischen noch in
politischen Angelegenheiten beabsichtigte, mit der Heimatarmee
zusammenzuarbeiten.
Jan Ciechanowski, Oxford